12. Dezember
„Haben Sie von Carola gehört?“
Trickfilm von Irina Rastorgueva und Thomas Martin
„Wir begraben hier die größte deutsche Schauspielerin, CN, gestorben 23 Jahre alt, das strahlendste, was wir gehabt haben, viele, die sie gesehen haben, hatten vorher nicht gewußt, daß der Mensch sich so leicht bewegen könnte. Vor wenigen Jahren, als sie die Bühne betrat, konnte diese Frau nicht auf der Bühne, nicht auf der Straße gehen, hatte sie keine Stimme und vermochte sie nicht zu sprechen, sie hat es gelernt durch Willenskraft. Mit weniger Anstrengung und zu geringerem Nutzen können Weltreiche erobert werden. Und alle diese Anstrengung, Eignung und Plan für diese wenige Zeit! Das Schicksal ist wahnsinnig.“
So fingiert Brecht 1928 in einer Grabrede auf Carola Neher einen Tod, der zwar später, dennoch viel zu früh und völlig anders kam, als im Dreigroschenoperjahr zu ahnen war. Was der „ersten aller denkenden Schauspielerinnen“ zustoßen würde steht, auch in der Verbindung von Kunst und Politik exemplarisch für das blutige 20. Jahrhundert.
Konkret ist es die tragische Geschichte einer Schauspielerin: Nach einer vielverheißenden Konstellation aus Kunst, Liebe und Erfolg, einer später sich katastrophal auswirkenden Verquickung von Kunst, Liebe, Politik, findet sie sich gefangen zwischen zwei totalitären Systemen wieder. 1934 emigriert sie von Berlin über Wien und Prag nach Moskau, wird zwei Jahre später wegen trotzkistischer Aktivitäten angeklagt und verurteilt. Sie stirbt, 41 Jahre alt, nahe der kasachischen Grenze in einem Durchgangslager während der Deportation nach Sibirien, an Typhus. Ihre Biographie liest sich wie ein tragischer Gegenentwurf zum Lebenslauf der westwärts ausgewanderten Marlene Dietrichs. Adorno hat es gewusst: „Es läßt sich privat nicht mehr leben.“ Carola Neher hat es erfahren.
Der Film collagiert Aufnahmen des heutigen Berlin mit Archivmaterial und Animationszeichnungen, kombiniert mit dreidimensionalen Modellen und Puppenspiel. Der Animationsteil zitiert Werke von Käthe Kollwitz, Otto Dix, George Grosz, John Heartfield, Wassily Kandinsky, El Lissitzky, Vladimir Tatlin, Alexander Deineka und anderen deutschen und russischen Künstlern zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Briefe von Carola Neher, Brecht, Walter Benjamin, Lion Feuchtwanger und anderen gehen in den Dialogteil ein.
Eine Szene des Films und Skizzen aus dem Storyboard wurden im Februar 2019 im Rahmen der „Brecht-Tage“ im Literaturforum Berlin gezeigt und ausgestellt.
Eine erste Rohfassung des gesamten Films wird beim Brechtfestival 2021 zu sehen sein.