10. Dezember
FOKUS MARGARETE STEFFIN
Ruth Berlaus Freund, der Architekt Mogens Voltelen, der nun seinerseits darunter leidet, dass er Berlau an Brecht verliert, hebt die irrationalen Anteile dieser Liebesverwicklungen hervor:
„Meine Beobachtungen damals waren die: So wie Steffin abhängig von Brecht war, so war auch Ruth abhängig. Ruth hatte eine snobistische Ader. Es war auch ein bisschen Snobismus in ihrer Beziehung zu Brecht. … Das Snobistische bei ihr war eben, dass Brecht ein großer Mann war, und sie war mit ihm verbunden, war ihm nahe, und das gefiel ihr. Leute, die ein gewisses Ansehen hatten, hatten ihr Interesse.
Mein Eindruck damals war, dass Brecht ziemlich rücksichtslos und stark dominierend war. Er hatte seine eigenen Bedürfnisse und Gesichtspunkte, und danach mussten sie sich alle richten. … Er wollte sich durchsetzen. Und das tat er auch in seinen Beziehungen zu den Frauen, die ihn umgaben. … Und über die Untreue hatte er die Meinung: Ein Mann kann natürlich untreu sein, aber die Frau nicht. Er hatte ein Bild dafür: Wenn ein Mann durch die Stadt geht, dann kann er in jedes Haus eintreten, es gibt nichts, was ihn daran hindern kann. Aber eine Frau darf in ihre eigene Wohnung keine fremden Leute einlassen. …
Das war sein Argument für die unterschiedlichen Verpflichtungen, die Männer und Frauen haben, und das ist natürlich eine Scheinlogik.
Grete Steffin war ein ganz anderer Charakter. Sie war sehr zurückhaltend, dänisch sagen wir »selusleted«, also selbstauswischend, ich weiß nicht ob es ein deutsches Wort dafür gibt. Das heißt, sie beteiligte sich gar nicht an diesen Rollenspielen… Auf so etwas verzichtete sie. Sie wollte gar keinen Eindruck auf andere machen…“
(Quelle: Hartmut Reiber, Grüß den Brecht! Das Leben der Margarete Steffin, Eulenspiegel Verlag Berlin 2008, S.278f.)