(Werner Hecht, Brecht-Chronik 1898-1956 S. 326)
31. Oktober
31. Oktober
FATZER:
Auch habe ich starke Unlust, einzig zu tun
Von vielen Taten die, welche mir nützlich. Aber Lust
Zu vergraben das gute Fleisch und zu spucken
In das trinkbare Wasser
Dies ist nicht einfach.
Ihr aber rechnet auf den Bruchteil aus
Was mir zu tun bleibt, und setzts in die Rechnung.
Aber ich tus nicht! Rechnet!
Rechnet mit Fatzers Zehngroschen-Ausdauer
Und Fatzers täglichem Einfall!
Schätzt ab meinen Abgrund
Setzt für Unvorhergesehenes fünf
Behaltet von allem, was an mir ist
Nur das euch Nützliche.
Der Rest ist Fatzer.
(GBA 10, S.495 )
30. Oktober
Ein Blick zurück auf die Anfänge der Radiokunst im DLF.
Zitat:
„Am 9.Oktober 1923 geht in Berlin die erste deutsche Radiostation on air. Wohlgemerkt, die erste zivile Radiostation … Außer Bertolt Brecht und seinen Freunden Walter Benjamin und Kurt Weill … scheinen Schriftsteller und Komponisten einen Bogen um das Radio zu machen.“
29. Oktober
1928:
Henry Graf Kessler über einen Besuch in der Wohnung Erwin Piscators:
„Brecht kennengelernt. Auffallender Dekadentenkopf, fast schon Verbrecherphysiognomie, sehr dunkel, schwarzes Haar, schwarze Augen, dunkle Haut, ein eigenartig lauernder Gesichtsausdruck: fast der typische Ganove. Aber wenn man mit ihm spricht, taut er auf, wird fast naiv. Ich erzählte ihm, wie es schien zu seinem größten Vergnügen, d’Annunzio-Anekdoten. Er ist jedenfalls ,ein Kopf‘, wenigstens äußerlich, und nicht unsympathisch (wie Bronnen).“
(Begegnungen mit Bertolt Brecht. Hg. v. Erdmut Wizisla. Leipzig: Lehmstedt, 2009, S. 10.)
28. Oktober
Update
Clemens Schönborn muss sein für das Brechtfestival geplantes Filmprojekt (siehe Eintrag v. 23.9.) aus persönlichen Gründen leider absagen. Mit seiner Hilfe konnten wir aber Adrien Lamande gewinnen, mit Augsburger*innen einen „hit-and-run“-Film zu drehen.
Danke Clemens und alles Gute!
27. Oktober
Ein kurzer Film von Alexander Kluge.
„Man kann nicht lernen, nicht zu lernen/Menschlicher Entwurf“ (Alexander Kluge)
26. Oktober
Aus einem Brief an den Verleger Dr. Peter Suhrkamp:
Dienstag, 16. Januar 51
[…] Ich nahm ein Exemplar von … »Jedes Tier kann es« mit nach Hause. Ich blätterte bißchen rum, las hier und da etwas: Wissen Sie, es ist ein gutes Buch! Wirklich. Ich schrieb es ja auch mit Brecht zusammen. […]Das Buch ist modern und neuartig und brechtisch. Es ist auch so, daß Männer das Buch nicht gern lesen, es ist eine Kritik an Männern. Und vor allem müßte ich Ihnen sagen, da fehlt ein wichtiges Kapitel, ein Schlußkapitel, das ich mit Brecht schon geschrieben habe (nicht ganz fertig). Es ist eine Kritik an Frauen. Und, glauben Sie mir, da ist Brecht groß. Eigentlich verachtet er ja uns Frauen tief, nur über Rosa Luxemburg und über Krupskaja, Lenins Frau, kann man ihm Gutsagen abpressen. Ja, und natürlich über Weigel!!! Mich hat er immer behandelt wie den letzten Dreck – leider liebe ich ihn. […]
…Aber das Schlußkapitel für mein Buch ist wichtig. Das ist ein kräftiges Kapitel, denn natürlich haben die Frauen ebensoviel »Schuld« (wenn man überhaupt von Schuld sprechen kann) wie die lieben Männer.
(Brechts Lai-tu. Erinnerungen und Notate von Ruth Berlau, Eulenspiegel-Verlag, S.262f)
25. Oktober
Marion Brasch (die im Rahmen des Brechtfestivals lesen wird) war vor zwei Jahren länger in New York und hat Filmschnipsel gesammelt. Als durch Corona in Manhattan das öffentliche Leben völlig zum Erliegen kam, hat sie aus den Schnipseln und Tom Waits‘ Version von „Wovon lebt der Mensch“ aus der Dreigroschenoper dieses Video gemacht
24. Oktober
Audio: Brecht, Steffin, Benjamin – Flüchtlingsgespräche im dänischen Exil
23. Oktober
B.K.Tragelehn im Gespräch mit Holger Teschke
Du warst Brechts letzter Meisterschüler an der Berliner Akademie der Künste.
Praktisch war ich Regieassistent im Berliner Ensemble, mit dem Stipendium der Akademie. Mit meinen neunzehn Jahren hab ich alles aufgesogen wie ein Schwamm, gierig. Müller hab ich kennengelernt ein Jahr nach Brechts Tod. Der Lohndrücker war gedruckt worden. Müller hatte das Stück geschrieben, das Brecht nicht schreiben konnte, nach einer Materialsammlung, die für Brecht gemacht worden war. Käthe Rülickes Hans Garbe erzählt, ein Bio-Interview in der Tradition von Brechts Freund Tretjakow. Aber Bio-Interview durfte es damals nicht heißen, das galt als Proletkult, und die SED sah in ihrer Kulturpolitik von Anfang an auf bürgerliche Reputation, eines sozialdemokratische Tradition. Nach der Lektüre von Lohndrücker wußte ich, wo es weiter geht nach Brechts Tod. Heiner war sieben Jahre älter als ich, und Brecht, der auch für ihn ein großer Eindruck gewesen ist, hätte er schon sortiert für sich. Brecht gebrauchen, ohne ihn zu kritisieren, ist Verrat, hat er später geschrieben. Müller hat mich davor bewahrt, ein Sektierer zu werden-etwa die Anbetung der Parabelform mitzumachen, die Kern von Wekwerths Erbepflege geworden ist am BE.
(B.K.Tragelehn: Der Resozismus im Abendlicht. Gespräch & Gedichte, Edition Ornament im quartus-Verlag 2014, S.9f)
22. Oktober – intern 5
Beim Ortstermin am 16.10. auf dem Gaswerk herrscht Aufbruchsstimmung. Jürgen Kuttner ist für diesen Ortstermin aus Berlin angereist. Die Technische Leitung geht noch einmal mit uns gemeinsam alle in Frage kommenden Spielorte durch: Großer und Kleiner Scheibengasbehälter, LKW-Wagenburg, KFZ-Gebäude und mit etwas Glück sogar ein ganzes Zirkuszelt (darüber muss der Stadtrat noch entscheiden).
In Gedanken projizieren wir großflächig Brecht-Filme auf die eingerüsteten Gebäude, stellen uns Feuerschalen vor und viele kleine Lagerfeuer über das ganze Gelände verstreut. Konrad Hölzl von der Bolschewistischen Kurkapelle Schwarz Rot ist da. Wir fragen ihn, ob die Musiker*innen die Außentreppe des Großen Scheibengasbehälters bespielen könnten. Könnten sie, sagt Konrad!
Überhaupt ist der Scheibengasbehälter an diesem Tag ein großer Hoffnungsschimmer. Mehr Leute im oberen Bereich als ursprünglich gedacht, mollige Wärme unten – all das scheint an diesem Tag im Bereich des Möglichen. Wir hätten sogar schon einen Ansatz für ein grobes Konzept, mit dem wir die Besucher*innen in vier verschiedenen Touren corona-konform über das Gelände lotsen könnten. „Wenn Christlkindlmärkte gehen“, sagt Jürgen dem A-TV Reporter – „dann kriegen wir doch auch ein Brechtfestival mit Außenbespielung im Frühjahr hin“.
Katrin Dollinger, Brechtbüro, Projektkoordination
21. Oktober
Bis Ende des Jahres zeigt das Berliner Ensemble im „Stream des Monats“ historische Brecht-Inszenierungen: Ab 16. Oktober wird in Zusammenarbeit mit dem Bertolt-Brecht-Archiv der Akademie der Künste Brechts eigene Inszenierung von „Die Mutter“ mit Helene Weigel in der Titelrolle (1951/58, Regie Bertolt Brecht/Manfred Wekwerth) gezeigt.
Einführung durch Erdmut Wizisla.
20. Oktober
18. Oktober
In America, Brecht grew to love the idioms and regionalisms of American English, and these were the source from which the country’s folk music sprang. Brecht’s enthusiasm for Burl Ives has already been discussed. He also translated the black American blues singer Leadbelly’s version of the traditional song ‘The Gray Goose’. A young American woman he had befriended told Brecht that the goose in the song was an emblem of protest, representing the dogged survival of black Americans. In the song a goose is shot by a pastor, but it is too tough to be eaten by any of the family, even after being boiled for six weeks. When they try to feed it to the pigs, it breaks the sow’s jawbone, and when they then try to cut it in the sawmill, it breaks the saw’s teeth. In Leadbelly’s final verse the goose flies off to freedom over the ocean, followed by six goslings. Brecht’s treatment of the song indicates that he also practised free translation rather than absolute fidelity to the original. In his ‘Die haltbare Graugans’, which was later set to music by both Paul Dessau and Hanns Eisler, Brecht changed the cooking time to six years (the length of the war), which suggests that in his poem the goose represents Europe. Brecht the atheist replaced Leadbelly’s chorus of ‘Lawd Lawd’ with the German affirmative response: ‘Ja, ja’.
(Esther Jane Quin Harcourt, BERTOLT BRECHT AND BOB DYLAN: INFLUENCE AND IDENTITY. A thesis submitted to the Victoria University of Wellington 2006)
17. Oktober
Tagebuch 1921:
Ich habe Gilbert Keith Chestertons Detektivgeschichten in die Hände bekommen. Ich habe keine bessern gelesen. Hier löst tatsächlich der Verstand die Aufgabe. Diese Engländer, ob sie Patrioten sind wie Kipling oder Katholiken wie Chesterton, sie verstehen Ihr Geschäft und zerfasern nicht Probleme, sondern zeigen die praktischen, nützlichen Seiten ihrer Methoden, sie handeln zumeist wie gewisse Geschäftsreisende in Thermosflaschen, die ihre »unzerbrechllchen« Flaschen mit barbarischer Wut auf den Boden werfen oder mit anderen, zerbrechlicheren, zusammenschlagen, um die Güte ihrer Flasche zu beweisen.
(GBA, S. 244)
Anm: (Gilbert Keith Chesterstons Detektivgeschichten)
Einer der Kriminalromane Chestertons, die Brecht sehr beeindruckt haben, ist The Man Who Was Thursday (dt.: Der Mann, der Donnerstag war; 1910); er schenkt das Buch Hedda Kühn. 1921 notiert er:
„G.K.C. Er hat wirkliche Detektivgeschichten geschrieben, der Nachbar Doyles, der Philosoph, Detektivgeschichten.
Das heißt: eine Schlacht mit Hilfe von Geheimdetektiven gewinnen zu wollen.“ (Notizbuch 1921, Nachlaß.)
(GBA, S. 566)
16. Oktober
1938:
Abends verursacht B, der mit Helene Weigel und Margarete Steffin im Auto unterwegs ist, einen Unfall, über den die Kopenhagener Zeitung Politiken berichtet. Brecht korrigiert die Meldungen in einem Brief an die Redaktion. Er sei nicht von Scheinwerfern eines entgegenkommenden Autos geblendet gewesen. Um einen vor den Wagen springenden Jungen nicht zu verletzen, sei er nach rechts ausgewichen, wo er die Mutter des Jungenstreifte. „Vielleicht hätte ich auf keinen Fall auf den Fußweg abbiegen dürfen, auch nicht um ein Menschenleben zu schonen, und ganz gleichgültig, ob der Fußweg mir frei schien. Das mag, ich weiß es nicht, juristisch eingewendet werden können, aber schon aus Menschlichkeit wird wohl jeder Fahrer in solchen Situationen zu vermeiden suchen, jemanden zu überfahren.“ Im Verlauf mehrerer Verhandlungen wird, wie Margarete Steffin (im Dezember 1939) Fredrik Martner mitteilt, ein Gerichtstermin über den Unfall auf den 14.12.39 festgesetzt. Ob Steffin beim Gericht eine Verschiebung durchsetzten konnte, wie sie das wünscht, um daran teilzunehmen, ist nicht bekannt.
(Werner Hecht: Brecht Chronik. Suhrkamp, Frankfurt a. M. S. 555.)
Dazu und sehr lesenswert:
„Ein lehhreicher Unfall des Dichters Brecht“
(aus: „SCHROTT. Bilder aus der Geschwindigkeitsfabrik. Eine fragmentarische Kulturgeschichtedes Autounfalls“. Eine Website von Matthias Bickenbach & Michael Stolzke)
15. Oktober
12. Oktober
Kurzhörspiel
Bertolt Brecht: „Herr Keuner und die Schauspielerin“
Regie & Produktion: David Tschöpe.
Textrechte: Suhrkamp Verlag. 1992
11. Oktober
Nachtrag zum 10. Oktober
„Ein Star der alles dürfen darf“ – Lotte Lenya
HIER in der Mediathek des ORF
10. Oktober
9. Oktober – intern 4
Bei der gestrigen Videoschalte hatten wir unsere Graphik-Agentur KW Neun zu Gast. Kuttner wünscht sich von Mara und Arthur einen minimalistischen, funktionalen Brechtlook: „grau, eckig, stapelbar“ – oder wie Brecht sagte, ihm sei jede Farbe recht, nur grau müsse sie sein. Die Vorstellungen davon, wie das aussehen soll fallen in der Runde noch sehr unterschiedlich aus. Auch was die Spielorte angeht muss weiter nachgedacht werden. Das Parkhaus auf dem Gaswerk hat sich inzwischen als Spielort gedanklich pulverisiert. Brandschutz! Da ist Kunst ausgeschlossen. Dazu noch Corona-Maßnahmen. Seit Dienstag ist Berlin Risikogebiet. Wer immer auch nächste Woche aus Berlin zum Dispotermin nach Augsburg kommen soll, muss im Hotel einen negativen Corona-Test vorweisen und das kostet. Man munkelt von bis zu 150 Euro pro Test und das Ergebnis darf bei der Einreise nicht älter als 48 Stunden sein. „Ich bin mir nicht sicher, dass das Brechtfestival im Februar so stattfinden kann, wie wir das gerade planen“, hör ich Kuttner sagen. „Corona kann mich mal“, denk ich. Unerschütterliche Optimistin die ich bin, tüftle ich in Gedanken an einer Logistik für Schnelltests für unsere Künstler*innen und plane dafür einen großzügigen Posten im Festivalbudget ein.
Katrin Dollinger, Brechtbüro, Projektkoordination
8. Oktober
Gefragt, was er mit Brecht gemeinsam habe, antwortete Peter Handke 1966:
»Die gleiche Zahl von Buchstaben im Nachnamen und den Verleger.«
(Quelle: Peter Handke/Siegfried Unseld, Der Briefwechsel, Suhrkamp Verlag 2012)
7. Oktober
1921: Brecht mag den Plärrer nicht mehr
„Es ist ein Oktoberfest hier, Buden mit Bier, Clowns, Akten, Konzert! Man fährt auf Karussells, die einen in die Luftschleudern. Schaukeln kraft eigener Muskelkraft. Es ist so langweilig. Welche Abortwand-Visagen! Welch haustierische Stimmen! Attraktionsbuden pumpen die Romantik hoch, das Volk, dumm, lasterhaft, geduldig, läßt sich kitzeln. Man lebt nicht ewig.”
(GBA 26, S. 250)
6. Oktober
Margarete Steffins Theaterstück »Wenn er einen Engel hätte«:
Um den 5. Oktober 1934 herum verläßt sie Moskau und kommt nach einer langen Bahnfahrt in Arasindo im Kaukasus an, einem schwer erreichbaren Kurort im Gebirge, »7 1/2 Bahnstunden u. 4 scheußliche Autostunden« von Tbilissi entfernt. Wenige Wochen später schickt sie Brecht aus dem Sanatorium einen Entwurf zu ihrem Theaterstück »Wenn er einen Engel hätte«. Brecht ist inzwischen auf Arbeitssuche in London und versucht dort einen Film herzustellen, der dann aber nicht realisiert wird. Er ist von Steffins Entwurf sehr angetan:
»Schick doch bald mehr von der >Schutzengel<-Geschichte! Sie kam mir sehr amüsant vor, ich lachte sogar laut.«
Er rät ihr, die Szenen zuerst einmal in Prosa zu schreiben, einfach und realistisch. Grete Steffin arbeitet in einer Umgebung, die sie nicht auf Ruhe und Konzentration einstimmt, aber das scheint sie nicht zu stören:
»Besinnen Sie sich noch auf den kleinen Plan des >Schutzengels< , von dem ich Ihnen mal erzählte?«, schreibt sie an Walter Benjamin. »Ich habe jetzt im Klub inmitten spielender, erzählender, klavierender Leute einen Rohentwurf fertig gemacht und bin sehr befriedigt davon, obwohl er ganz auf Agitprop-Ton abgestimmt ist, was nicht bleiben darf.«
Während des Schreibens stellt sich heraus, daß sie nicht nur den Agitprop-Ton zu überwinden hat, der ebenso wie Thema und Stoff der Fabel auf ihre Kindheits-und Jugenderfahrungen zurückgeht. Den eigentlichen Teil der Arbeit macht die Transformation vom Agitprop in die Gestalt eines Dramas aus-für Grete Steffin ein entscheidender Sprung in ihrer Entwicklung als Autorin.
(Hartmut Reiber: Grüß den Brecht. Das Leben der Margarete Steffin, Eulenspiegel Verlag 2008, S. 229)
4. Oktober
Interview mit Knut Cordsen von BR2 zu 100 Jahre Radio und Brecht.Blöderweise vergessen, unsere Zusammenarbeit von Brechtfestival und Bayerischem Rundfunk zu erwähnen! 🙁
Sowas passiert eben, wenn man früh morgens vom Radio überfallen wird…
https://www.br.de/nachrichten/kultur/100-jahre-radio-von-rundfunk-utopien-zur-digitalen-revolution,SCFxXI8
3. Oktober – Tag der Deutschen Einheit
Heiner Müller:
“Das Besondere unserer früheren Abgeschlossenheit war, daß der Druck hier (gemeint ist die DDR – JK) in einem viel stärkeren Maße Erfahrungsdruck war, was auch seine Vorteile hat. Brecht hat das in seiner Emigration in den USA beschrieben, wo er ja sehr isoliert und ein fremdes Gewächs war. Das hat ihn gezwungen, dauerhaft zu schreiben. Dagegen geht es in der Bundesrepublik, in die wir jetzt selig eingetreten, nicht um Dauer, sondern um momentane Anwesenheit, um die Präsenz. Und das ist für Kunst einigermaßen tödlich.”
[1990]
(in: Heiner Müller, Der amerikanische Leviathan, Herausgegeben und mit einem Nachwort von Frank M. Raddatz edition suhrkamp 2756)
Müller schlug übrigens vor, Brecht Kinderhymne zur neuen
Nationalhymne des wiedervereinigten Deutschlands zu machen:
Anmut sparet nicht noch Mühe
Leidenschaft nicht noch Verstand
Daß ein gutes Deutschland blühe
Wie ein andres gutes Land.
Daß die Völker nicht erbleichen
Wie vor einer Räuberin
Sondern ihre Hände reichen
Uns wie andern Völkern hin.
Und nicht über und nicht unter
Andern Völkern wolln wir sein
Von der See bis zu den Alpen
Von der Oder bis zum Rhein.
Und weil wir dies Land verbessern
Lieben und beschirmen wir’s
Und das Liebste mag’s uns scheinen
So wie andern Völkern ihrs.
5. Oktober
Im Herbst 1963 sorgt eine Werbeaktion für Brecht in Frankfurt für Aufsehen. Die Kino-Wochenschau „Zeit unter der Lupe“ hat die Aktion mit der Kamera dokumentiert. Wir veröffentlichen den Ausschnitt hier mit freundlicher Genehmigung des Bundesfilmarchivs:
2. Oktober
Das neue Dreigroschenheft (4/2020) ist erschienen.
Schwerpunkt: Rosa Amann, der Brechts “Erinnerung an die Marie
A.” gilt. Eine wunderbare, kleine Publikation – zu Unrecht
viel zu unbekannt!
Das Download-Archiv sämtlicher Hefte seit 1994(!) findet sich
unter folgendem Link:
https://www.dreigroschenheft.de/hefte-zum-download
(GBA 14, S. 243)